Windige Geschichten

Scirocco und Bora: Zwei Winde wie zwei Brüder, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zwei Wetterphänomene, die das Leben der Menschen in der Lagune prägen. Seit sich die Menschen raus aufs Meer gewagt haben, sind sie mit den Winden schicksalshaft verbunden. Heute noch üben die unbändigen Kräfte bewegter Luft eine Faszination aus. Warum sonst sind wir an manchen Tagen „durch den Wind“, fühlen uns „vom Winde verweht“ oder spüren, wenn „ein schärferer Wind weht“? Und wer war nicht schon einmal ziemlich ratlos, als das Kind fragte: „Was macht der Wind, wenn er nicht weht?“ Wir glauben ja, dass er sich hinter der Lagune ein Bett aus frischem Meerschaum baut und seinen Kopf auf eine Wolke bettet. Vielleicht träumt er dann von seinen Brüdern Bora und Scirocco. Über die zwei gibt es nämlich jede Menge zu erzählen:

Der heiße Atem der Wüste

Während der berühmte Bora am Nordpol geboren wird, liegt die Wiege seines Bruders im Süden. Der Scirocco ist heißblütig und wirbelt ganz schön Staub auf. Jedes Mal, wenn er übers Land fegt, bringt er ein Geschenk aus einer Heimat mit. Und so trägt er Tonnen von Saharastaub bis hinauf auf die Alpengletscher. Uns hier schenkt er zuerst eine drückende Schwüle und einen trüben Himmel und manchmal sogar einen „Blutregen“. Doch insgesamt ist der Südwind nicht so fürchterlich, wie er klingt. Unter Seeleuten gilt er als manierlich, nur selten präsentiert er sich als Sturm tropischen Ausmaßes. Meist belässt er es bei etwas Donnergrollen und lebhaftem Wellengang.

 

Mystischer Sohn des Nordens

Um sich die kräftigen Winterstürme zu erklären, die seit Menschengedenken über dem Mittelmeer toben, dachten sich die alten Griechen einen Gott aus, der seinem realen Vorbild in seiner stürmischen Natur um nichts nachsteht: Der Titanensohn Boreas, „der Nördliche“ beglückte als ungestümer Hengst königliche Stuten und entführte tanzende Nymphen. Auch im antiken Rom kannte und fürchtete man den geflügelten Tunichtgut und nannte ihn Aquilo. Auch wenn wir längst wissen, wie Winde wirklich entstehen und die Menschen gelernt haben das Wetter nicht nur zu deuten, sondern sogar vorherzusagen, umgibt die Winde, die von Zeit zu Zeit über die Sonneninsel fegen, etwas Mystisches. Man muss kein sonderlich gläubiger Mensch sein, um der Schöpfung Ehrfurcht zu erbieten, sondern sich einfach an einem stürmischen Tag mit offenen Haaren und ausgebreiteten Armen am Lagunenstrand gegen den Wind zu stellen.

 

Ein himmlisches Kind

Weil unser Strand so weitläufig und das Singen des Windes so mächtig ist, macht es auch niemanden etwas aus, wenn ihr einfach einmal aus voller Kehle eurem angestauten Ärger und Sorgen Luft macht. Der Lagunenwind hat auch nichts dagegen, wenn ihr ihm eure Wünsche ins Ohr flüstert. Er nimmt sie mit und trägt sie dorthin, wo sie gut aufgehoben sind. Dem Bora wohnt eine eigentümliche Kraft inne. Er reinigt und inspiriert. Hörbar schön. Vivaldi beflügelte er gleich zweimal: Im ersten Satz seines Opus 8. Nr.2 und im dritten Satz des Opus 8 Nr. 4. Hier an der oberen Adria sind die Menschen Kinder des Windes. Für den Bora und seine Launen haben wir nicht nur verschiedene Namen wie „Borina“, „Borasco“, „Levantera“ und „Reffoli“, sondern auch so manches gute Wort über. So heißt ein altes Sprichwort: „Der Bora bläst die schlechten Launen fort.“  Oder wie die Gebrüder Grimm, schrieben, wisst ihr noch? „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind…“

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